Homologation im Motorsport: Die Zulassung für Rennfahrzeuge

Datum: 21. April 2020

Wie im normalen Straßenverkehr gibt es auch im Motorsport Regeln, was die Fahrzeuge betrifft: Was ist erlaubt und was nicht? Wie lang und wie schwer darf ein GT3-Rennbolide sein? Welche Maße hat der Heckflügel? Welcher Motor und welche Sensoren wurden verbaut? Wer ein Auto hat, hat grundsätzlich auch Fahrzeugschein bei sich zu tragen, wenn er auf den Straßen unterwegs ist. Ähnlich verhält es sich im Motorsport. Hier ist es das Homologationsdokument, das die Teilnahme an einem Rennevent überhaupt erst möglich macht. Nur wenige Rennserien erlauben Teilnahmen ohne diese „Zulassungsbescheinigung“. Wie genau bekommt ein Rennsportwagen diese Voraussetzung? Wir haben die Fakten anhand einer GT3-Homologation recherchiert.

Die Entscheidung, einen Rennwagen in Eigenregie zu bauen, klingt anfangs erstmal sehr einfach. Bei gründlichem Überlegen stellt das aber einige Hürden bereit. Einfach einen Mercedes, Audi oder Porsche kaufen und umbauen ist gar nicht erst möglich. Im GT3-Sportwagenbereich darf nicht jeder seinen eigenen Rennwagen bauen.

Zunächst benötigt es die Genehmigung des Herstellers, unter seinem Namen herzustellen. Und auch das ist nicht die einzige Voraussetzung. „Erst muss geklärt werden, ob das Auto überhaupt infrage kommt für einen Rennwagen“, erklärt Jürg Flach, technischer Direktor von Emil Frey Racing. „Für die GT3-Voraussetzung muss es ein Zweitürer sein. Außerdem müssen mindestens 30 Autos dieses Modells verkauft worden sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann man dann zum Hersteller gehen, um sich dort die Genehmigung einzuholen.“

Emil Frey Racing ist eines der wenigen Privatteams, die einen GT3-Rennwagen in Eigenregie entwickelt und gebaut haben. Das Team bekam von Jaguar-Land Rover die Genehmigung – allerdings keinen technischen oder finanziellen Support für den Emil Frey GT3 Jaguar. Eine spannende Herausforderung für das Team, da die Emil Frey AG bereits seit über 90 Jahren eine enge Zusammenarbeit mit Jaguar-Land Rover im Bereich Import und Verkauf von Straßenfahrzeugen pflegt. Im Traditionsunternehmen, das mittlerweile in dritter Generation in der Geschäftsleitung vertreten ist, war der Motorsport immer eine große Leidenschaft. 2010 entschied man sich dazu, einen eigenen Rennwagen zu bauen – und damit auch eine Homologation durchzuführen.

Step by Step: Vom Straßenfahrzeug zum Rennwagen

Drauf los bauen und konstruieren ist trotz Genehmigung aber nicht möglich. Gerade im GT3-Sportwagenbereich gibt es feste Vorgaben, an die man sich halten muss. Bevor man in die Entwicklung geht, sollte man sich zunächst die verschiedenen technischen Reglements heranziehen, um zu wissen, was erlaubt ist und was nicht. „Eigentlich ist ziemlich viel vorgegeben“, erklärt Flach. „Im Prinzip geht es darum, dass man die entsprechenden technischen Spezifikationen einhält. Als Basis wird die Rohkarosse eines Serienfahrzeuges hergenommen. Die wird mit einem von der FIA homologierten Überrollkäfig verstärkt“. Wo sind die Schweißstellen? Und wo werden zusätzliche Rohre am Chassis angebracht, um das Ganze sicher zu machen? „Es geht einerseits darum, Steifigkeit ins Fahrzeug zu bringen. Auf der anderen Seite natürlich auch darum, die Sicherheitskriterien zu respektieren und einzuhalten, sodass der Fahrer dann im Falle eines Unfalls auch entsprechenden Schutz findet“, erklärt der Fachmann.

„Neben der Rohkarosse ist auch der Motor, dessen Motorblock und Zylinderkopf aus dem Serienfahrzeug stammen, ein wichtiger Bestandteil des Grundkonzepts. Hinsichtlich der Außen-Dimensionen soll zum Beispiel die Länge des Straßenfahrzeugs beibehalten werden, jedoch darf die Breite für das GT3-Fahrzeug erhöht werden. Aber auch da gibt es eine Grenze und die liegt bei 2,05 Metern. Dann darf man noch um aerodynamische Hilfsmittel ergänzen: Heckflügel oder der Splitter vorne, der zusätzlich angebracht werden dürfen“. Diese Vorgaben können im Reglement nachgelesen werden. Im Gegensatz zum technischen Reglement der GT3 hat jede Rennserie ihr eigenes Sporting Reglement, wobei sich die Serien auch absprechen – so sind die Reglements unterschiedlicher GT3-Rennserien sehr ähnlich und es müssen jeweils nur kleine Unterschiede angepasst werden. Dies soll es den Herstellern und Teams ermöglichen, ohne großen Umbauaufwand an verschiedenen Rennserien teilnehmen zu können.

Die Zulassungsbescheinigung

Jedes Rennfahrzeug benötigt eine Homologation (altgriechisch für: einverstanden sein, Zustimmung; Französisch: Genehmigung), um überhaupt für Rennen zugelassen zu werden – zu vergleichen mit dem Fahrzeugschein im normalen Straßenverkehr. Es gibt allerdings einige wenige Rennserien, in der diese Bescheinigung nicht nötig ist. Darunter fällt beispielsweise die Klasse SPX der Nürburgring Langstrecken-Serie (NLS), die auf der Nürburgring-Nordschleife ausgetragen wird. Die zusätzliche Klasse wurde von den Veranstaltern ins Leben gerufen, um Motorsportprojekte zu fördern und um Entwicklungsplatz zu schaffen. Wer noch keine Homologation hat, kann die Events nutzen, um die Entwicklungen unter realen Rennbedingungen zu testen – von der Punktewertung ist man allerdings ausgeschlossen.

Wer allerdings in anderen Serien mitfahren will, wie zum Beispiel dem GTC Race, benötigt die Homologation. Grundsätzlich ist erst einmal der Automobildachverband für die Homologation zuständig und damit die erste Anlaufstelle. Die Fédération Internationale de l'Automobile (FIA) hat wiederum mehrere Mitgliedsunterorganisationen. „Wir haben zwar mit der FIA zusammengearbeitet, letztendlich aber nie eine direkte FIA Homologation gemacht“, so der technische Direktor von Emil Frey Racing. „Wir haben das zusammen mit dem RACB (Royal Automobile Club of Belgium) gemacht.“ Dieser wiederum ist angelehnt am FIA-Reglement.

Die Homologation beginnt bereits mit den ersten Konstruktionsstrichen im CAD. Während der gesamten Entwicklung ist das Team in stetigem Kontakt mit der Aufsicht. „Es ist nicht so, dass du ein ganzes Auto zeichnest und sagst: Wir sind fertig. So sieht das Ding aus. Nein, man lässt sich Schritt für Schritt jeden Bereich absegnen“, erklärt der Fachmann. Zu vergleichen mit einer Doktorarbeit, die man nicht erst dann dem Doktorvater vorlegt, wenn man fertig ist und auf die Bewertung wartet, sondern Schritt für Schritt zusammen durchgeht. Die einzelnen Punkte werden besprochen, verbessert und angepasst bis der Betreuer zufrieden ist und man sich den nächsten Part vornehmen kann. Die Konzeption wird in Einzelbereiche eingeteilt: Motor- und Getriebeintegration, Achspositionen, Kinematik, Gestaltung des Cockpits, Entwicklung der Aerodynamik mit Hilfe von Windkanalversuchen oder CFD (Computational Fluid Dynamics) und viele weitere, welche die einzelnen Paragraphen im Homologationsdokument darstellen. Ist ein Bereich technisch definiert, folgt die Absegnung des Automobilclubs.

Ein Fahrzeug auf über 100 Seiten

Basis für die komplette Homologation ist das sogenannte Homologationsblatt, auf dem alle Daten zusammengefasst werden. Was nach einer einfachen Bescheinigung aussieht, ist weitaus mehr als das. „Blatt“ ist hier maßlos untertrieben. Mehr als hundert Seiten umfasst eine GT3- Homologation. „In dem Dokument werden alle Einzelteile dargestellt und benannt. So zum Beispiel der Motor, mit seinen Regelungen oder auch, wo die Sensorik verbaut ist.“ Bis ins kleinste Detail wird hier jeder Bereich aufgelistet. Grafiken und Bilder helfen bei der genauen Beschreibung des Verbauortes und der genauen Funktion von verschiedener Baugruppen am Rennfahrzeug.

Neben all den Vorgaben gibt es aber auch Spielräume. „Wenn man sich die Federarten anschaut, dann sieht man, dass da mehrere homologiert werden“, erklärt der Techniker. „Damit man auch eine gewisse Wechselbarkeit gewährleisten kann.“ Oder um sicher zu gehen, dass man das Fahrzeug im Nachgang auf alle unterschiedlichen Strecken einstellen kann. Alles wird dokumentiert – auch die Teile, die dazu gekauft werden. Auch bei Emil Frey Racing wurde nicht alles in der heimischen Schweiz gebaut. „Die Konstruktion, das Konzept – das haben wir alles zusammen mit Partnern selbst gemacht. Aber wir arbeiten für die Produktion der Komponenten mit externen Firmen zusammen. Carbon-Teile für das Body Work, Kotflügel, Hecklfügel und so weiter – das haben wir produzieren lassen.“ Das Homologationsdokument ist ein Vordruck, den sich die Hersteller oder „Independent Tuner“ von der entsprechenden Stelle holen können. Dieses hat eine strikte Ordnung und fordert genaue Angaben.

Das technische Reglement gibt gewisse Toleranzen und entsprechende Minimal- oder Maximaldimensionen vor. Jürg Flach erklärt das anhand des Beispiels der Karosserie: „Das Rennauto ist etwa fünf Meter lang. Da brauchst du gewisse Fertigungstoleranzen. Zum Beispiel auch, wie man das Koordinatensystem bestimmt. Man definiert eine Koordinatensystem X, Y und Z. Von diesem aus werden die einzelnen Punkte vermaßt und mit Toleranzen, wie zum Beispiel plus / minus fünf Millimeter versehen.“ Die Toleranzen werden zusammen mit den Maßen auf dem Homologationsdokument festgehalten. Diese müssen dann genauestens eingehalten werden. An der Rennstrecke kann man beim genauen Blick sehen, wie die Teams immer wieder die Fahrzeuge vermessen – eben um solche Toleranzen einzuhalten und bei der technischen Abnahme – vergleichbar mit dem TÜV im Straßenverkehr – die „Plakette“ zum Rennen fahren zu erhalten.

Eine Homologation ist kein Zuckerschlecken und auch nicht in ein paar Tagen gemacht. Emil Frey Racing brauchte bis zur Fertigstellung nahezu eineinhalb Jahre.

Ablaufzeit vorprogrammiert – das Mindesthaltbarkeitsdatum

Was jetzt nach einem streng vertraulichen Dokument klingt, das lediglich die technischen Kommissare zur Überprüfung in die Hand bekommen, ist eigentlich gar nicht so vertraulich. Alle anderen Hersteller und Teams haben ebenfalls Einsicht in das Dokument oder können dies anfordern. „Schließlich wollen die anderen ja auch wissen, ob bei uns alles regelkonform ist“, so die logische Erklärung.

Ist das Dokument vollbracht, alle Details dokumentiert und sauber aufgeschrieben, steht einer genehmigten Homologation nichts mehr im Wege. Wie lange ist das Rennfahrzeug jetzt aber „zugelassen“? Gibt es ein Ablaufdatum? Grundsätzlich gilt: Eine Homologation gilt so lange als akzeptiert, wie das Modell vom Hersteller auch unverändert weiter gebaut wird. Wird die Produktion eingestellt, läuft die Homologation nach sieben Jahren aus, wenn es keine andere Ausnahmebestimmung gibt. So traf es vor wenigen Jahren den Mercedes AMG SLS, der seine Homologation verlor. Die Rennfahrzeuge konnten seitdem in einigen Rennserien nicht mehr aktiv eingesetzt werden. Lediglich ein paar Ausnahmen gibt es: Retro Rennserien oder die Klasse 2 des GTC Race, die bewusst eine Plattform für ältere Modelle bieten wollen. Veranstalter Ralph Monschauer: "Wir haben uns bewusst entschieden, die Vorgängermodelle bei uns in einer eigenen Klasse zu werten, da es davon noch viele Fahrzeuge gibt."

Für das "Mindesthaltbarkeitsdatum" der GT3 gibt es aber noch weitere Ausnahmen: Weiterentwicklungen, die mit einer sogenannten Nachhomologation eingeführt werden. „Updates“ – damit es weitergehen kann.

Text: Jennifer Falkner für Motorsport XL



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