Technik: Turbo versus Sauger

Datum: 19. März 2020

Motorsport bedeutet Entwicklung. Entwicklung bedeutet unterschiedliche Konzepte. Allein bei der Antriebsart gibt es etliche Differenzen. Die wohl bekanntesten Antriebe sind Saug- und Turbomotoren. Im GT3-Segment kommen Turbomotoren im Aston Martin oder auch im BMW zum Einsatz. Die klassischen Sauger hingegen bei den deutschen Herstellern Audi und Mercedes. Die Unterschiede führen immer wieder zu Debatten. Vor allem was die Regulierung bei der Balance of Performance (BoP) betrifft. Wie können zwei unterschiedliche Antriebe so angepasst werden, dass faires Racing entsteht?

Jede Antriebsart hat ihre Vor- und Nachteile. Wenn es um den Vergleich Sauger- und Turbomotor geht, nennen die meisten als Hauptunterschied den Sound. Ein Sauger ist deutlich lauter und aggressiver als ein Turbo. Das wiederum hängt mit der Funktionsweise zusammen.

Funktionsweise Saugmotor

Der Saugmotor ist ein Diesel- oder Ottomotor. Der klassische Ottomotor wurde vom deutschen Nicolaus August Otto ins Leben gerufen und entwickelt. Der Aufbau: Ein Kolben ist im Zylinder installiert, der auf- und abfährt. Den höchsten Kolbenpunkt nennt man dabei „Oberer Totpunkt“ – den untersten „Unterer Totpunkt“. Der Kolben ist über eine sogenannte Pleuelstange mit der Kurbelwelle verbunden. Die Kurbelwelle leitet die Rotationsbewegung an das Getriebe weiter und treibt die Räder – zum Beispiel zum Vorwärtsfahren – an. Nockenwellen über dem Zylinder sorgen für das Ein- und Auslassen und sind über einen Riemen mit der Kurbelwelle verbunden. On top kommt eine Zündkerze, die das Kraftstoffluftgemisch zur Explosion bringt.

Die Zündung im Saugmotor – wie die Räder angetrieben werden: Zu Beginn des Prozesses wird der Einlass durch die Nocken geöffnet und das Kraftstoff-Luftgemisch in den Zylinder gesaugt. Das Einlassventil wird geschlossen und durch den Kolben verdichtet sich das Gemisch. Ein kleiner Funke der Zündkerze reicht aus, um die Entzündung des Kraftstoff-Luftgemisches zu entfachen. Dieses verbrennt explosionsartig und lässt den Kolben wieder nach unten drücken. Um die entstandenen Abgase aus dem Prozess entsorgen zu können, wird das Auslassventil geöffnet und die Verbrennungsgase nach außen gedrückt. Um mehr Leistung erzielen zu können, kommen im Motorsport meist acht Zylinder zum Einsatz. Am Beispiel des Mercedes-AMG GT3 sind es acht Zylinder, die im V-Format angeordnet sind – der sogenannte V8-Motor. Im ADAC GT Masters ruft ein Mercedes-AMG GT3 eine Leistung von bis zu 550 PS ab.

Leistungsanpassung Sauger – Restrictor regelt Luftzufuhr

Im ADAC GT Masters sind unterschiedliche Antriebskonzepte vertreten. Um einen fairen Motorsport gewährleisten zu können, gibt es die die Balance of Performance. Diese schafft es durch verschiedene Einstellungen, dass alle Marken und Antriebe auf einem ähnlichen Level sind. Vor jeder Veranstaltung wird das BoP-Blatt an die Teams verschickt. Dort ist genau aufgelistet, wer Zusatzgewicht einladen muss oder – im Falle eines Saugmotors – den Restrictor anpassen muss. Der Restrictor (englisch für Luftmengenbegrenzer) reguliert die Luftzufuhr. Ein kleinerer Restrictor lässt weniger Luft rein und die Leistung wird gedrosselt. „Vor der Veranstaltung werden die Sauger komplett kontrolliert“, erklärt Robert Maas vom DMSB die technische Überwachung im ADAC GT Masters. „Es wird vermessen und am Ende verplombt, sodass die Teams selbst nichts mehr machen können. Und wenn, dann sieht man es.“ Gewichtskontrollen hingegen werden stichprobenartig vorgenommen. „Es wird nicht jedes Fahrzeug gewogen und gemessen. Dafür machen wir Stichkontrollen vor und nach dem Rennen.“

Der Turbolader – Abgasstrom zur Energiegewinnung

Der Abgaslader, Turbolader oder kurz „Turbo“ hat im Gegensatz zum Sauger das Ziel, den Abgasstrom der Verbrennung energiegewinnend zu nutzen. Der Aufbau: An einer Welle ist auf der einen Seite ein Turbinenrad angebracht, am anderen Ende ein Verdichterrad. Beide Räder sind mit einem Gehäuse abgedeckt. Wie beim Sauger Motor verursacht der Motor heiße Abgase durch Verbrennen des Kraftstoffs. Diese gelangen über den Einlassbereich in die Turbine zum Turbinenrad. Hierbei wird thermische Energie in kinetische Energie umgewandelt. Das Turbinenrad dreht sich aufgrund der hohen Strömungsgeschwindigkeiten. Da das Verdichterrad durch die Welle mit dem Turbinenrad verbunden ist, wird dieses in Bewegung gesetzt. Durch die Bewegung kann frische Luft angesaugt werden, welche verdichtet wird und anschließend über den Auslass zum Motor gelangt. Meist ist ein Ladeluftkühler dazwischen geschalten. Grund: Das Verdichten erzeugt Hitze. Der Ladedruck – wie viel gedrückt wird – wiederum kann durch ein Ventil reguliert werden (Bypass Ventil).

Im ADAC GT Masters kommt der Turbolader im BMW M6 GT3 und im Aston Martin Vantage GT3 zum Einsatz. Karsten Molitor, Teamchef vom MRS Racing Team, erklärt anhand seines eingesetzten BMW die größten Unterschiede im Vergleich zum Sauger: „Wenn man die technische Seite betrachtet, dann ist das simpel: Der Sauger saugt die Luft an und beim Turbo wird sie in den Verbrennungsraum gedrückt, gepresst. Das macht das Auto ein bisschen leiser, was ein prägnantes Merkmal für den Turbo ist.“ Dafür ist der Turbo nicht so einfach in Sachen Setup: „Das ganze Handling wirkt sich auf das Setup aus. Das heißt: Wenn der Fahrer aufs Gaspedal steigt, dann ist da nicht sofort Leistung da. Das muss ja erst durch den Turbolader. Also hat man da das Turboloch. Der Verlauf ist also nicht geradlinig wie im Sauger, sondern ist auch abhängig vom Umgebungsdruck. Das macht die Setup-Arbeit nicht ganz so einfach.“ Weiter erklärt er: „Anfangs hast du diese Verzögerung. Wie schon erwähnt: Das Turboloch. Man muss das Auto ein bisschen vorspannen. Das heißt: Während du auf der Bremse bist, musst du gleichzeitig schon ein bisschen aufs Gas gehen. Damit hat man einen leichten Turbodruck vorneweg. Wenn du das allerdings machst, um damit das Turboloch zu verringern, hat das Ding eine unfassbare Traktion und du kriegst Probleme mit der Hinterachse. Du hast dann viel zu viel Leistung und machst dir den Reifen kaputt. Da ein Mittelmaß zu finden, ist die große Kunst.“ Und die große Kunst scheint man beim MRS Racing Team zu beherrschen: Immerhin konnte die Mannschaft beim letzten ADAC-GT-Masters-Rennwochenende auf dem Red Bull Ring einmal die Pole-Position einfahren, um wenig später den Start-Ziel-Sieg einzuheimsen.

Ladedruck kontrollieren – Die Krux des DMSB. Während die technische Überwachung beim Sauger relativ einfach scheint, ist beim Turbomotor einiges mehr zu beachten. Immer wieder kommt es zu Diskussionen. Robert Maas, DMSB, erklärt die Unterschiede zum Sauger: „Im Prinzip macht die Kontrolle für uns keinen großen Unterschied. Die Fahrzeuge sind so und so unterschiedlich. Der Turbo ist allerdings von der Überwachung her schwieriger. Beim Sauger misst du nach und wenn es dann passt, ist alles gut. Beim Turbo gibt es schon allein Unterschiede bei der Höhenlage.“ Zur Verdeutlichung: Der Red Bull Ring liegt 628 Meter über dem Meeresspiegel – Zandvoort hingegen gerade mal sieben Meter. Dass dabei die Umgebungsdrücke unterschiedlich sind, sollte auch für den Laien klar sein. Der Turbomotor hätte am Red Bull Ring einen deutlichen Vorteil gegenüber dem Sauger und wird daher eingebremst. „Natürlich muss der Ladedruck dementsprechend eingestellt werden. Da muss man immer nachjustieren. Das machen die Teams aber nicht selbst. Da gibt es ein Mapping vom Hersteller“, erklärt der Experte vom DMSB. „Wir kontrollieren, ob die Werte dann stimmen.“ Und das ist nicht immer der Fall. Erst beim Saisonauftakt des ADAC GT Masters ist der neue Aston Martin Vantage GT3 aus der Wertung geflogen. Grund: zu hoher Ladedruck. „Da hat man gemerkt, dass etwas nicht gestimmt hat. Es ist aber auch nicht so einfach“, so Robert Maas. „Es gibt viele Faktoren, die dabei eine Rolle spielen. Wenn sich die Temperatur ändert, kann das schon große Auswirkungen haben. Deswegen ist das für Teams mit Turbomotor deutlich schwieriger zu regulieren.“

Im ADAC GT Masters werden daher alle Fahrzeuge mit Turbolader nach dem Rennen kontrolliert – im Gegensatz zu den Saugern, bei denen lediglich Stichkontrollen durchgeführt werden. „Beim Turbolader kannst du am Rädchen drehen und dann hast du direkt mehr Leistung. Das wollen wir natürlich verhindern.“ Der DMSB zieht sich daher die Daten der Fahrzeuge und kontrolliert, wie oft das Boost-Limit überschritten wurde. Zu oft – wird das Team aus der Wertung genommen. Die genauen Vorgaben, wie oft dieses Boost-Limit überschritten werden darf, ist von der FIA geregelt. Der DMSB kümmert sich lediglich darum, ob die vorgegebenen Spielregeln eingehalten wurden. Im Rennen selbst können die Teams des ADAC GT Masters die Drücke nicht kontrollieren. Theoretisch weiß ein Team also erst nach dem Rennen, ob es „safe“ ist oder ob es zu oft über dem vom Reglement bestimmten Peak ist. Anders im Blancpain GT Series Endurance Cup: Durch Telemetrie können die Daten auch während dem Rennen überwacht werden und man kann schneller agieren. „Wir versuchen deshalb, in den Trainings alle Betriebszustände abzufahren“, erklärt Karsten Molitor die Strategie seines Teams MRS Racing. „Das kostet zwar Zeit und es ist nicht immer alles einfach. Aber dennoch – es macht Spaß. Das ist es ja, was den Motorsport auch ausmacht: das Basteln und Tüfteln, bis alles passt.“

Die Balance of Performance gibt also Ladedruck für Turbo und Restrictorgröße für den Sauger an sowie weitere Einstellungsmerkmale, um die beiden Antriebsarten aneinander anzugleichen. Das scheint aktuell gut zu funktionieren. Karsten Molitor fasst zusammen: „Wenn 30 Autos innerhalb von 1,5 Sekunden liegen, dann haben die einen sehr guten Job gemacht.“ So unterschiedlich die Antriebskonzepte auch sein mögen: Jedes hat seine Vor- und Nachteile und seine Daseinsberechtigung.

Text: Jennifer Falkner




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